Klitmoller. Cold Hawaii. Was liest man nicht alles über diesen berüchtigten Ort im Norden Dänemarks. Glaubt man den Aussagen im Internet, findet man dort an guten Tagen Surfbedingungen vor, die mit denen am Europäischen Atlantik (Frankreich, Portugal, Spanien) durchaus mithalten können. Das hat mich neugierig gemacht. Die Swellvorhersage für den 23. September sieht vielversprechend aus. Wenig Wind und etwas über einen Meter werden prognostiziert. Zumindest hüfthohe Wellen sollten im Bereich des Möglichen sein. Damit wäre ich schon zufrieden – anspruchslos wie ich als „landlocked“ Surfer nun mal bin. Also auf geht`s. Roadtrip Richtung Norden! Mal sehen, was an den Geschichten über Klitmoller dran ist.
Auf das Autodach packe ich noch schnell Sportgepäck für alle Bedingungen. Ein Stand-Up Paddleboard (SUP), ein aufblasbares SUP, ein aufblasbares Mini-Malibu und mein geliebtes Spider Bomb Shortboard. An der verfügbaren Boardauswahl soll es nicht liegen, wenn da oben nix geht, denke ich mir.
1.150 Kilometer einfache Strecke liegen vor mir. Meine erste Etappe führt mich bis nach Lübeck. Am nächsten Früh um 6:45 Uhr geht’s weiter Richtung Klitmoller.
War das ganze eine gute Idee? Es ist früh. Ich bin müde. Es regnet. Der Scheibenwischer hinterlässt nervige Schlieren auf der Windschutzscheibe. Es ist kalt. Der Gedanke, in ein paar Stunden in
das 18 Grad kühle Nordseewasser zu springen, klingt gerade nicht sehr verlockend. Der 15 Jahre alte Ford Mondeo und ich wir geben unser Bestes. Flensburg ist in Sicht und gleich darauf auch die
Deutsch-Dänische Grenze. Noch kurz ein unfreiwilliges Interview mit dem – zugegeben äußerst netten – Grenzbeamten in Dänemark hinter mich gebracht und schon kann es weiter gehen. Die
zweite Flasche Mate-Tee bringt mich mit einem Koffeinschub heil nach Klitmoller.
Es ist 12:30 Uhr. Ich parke direkt am besten Surfspot Dänemarks. Laut Internetrecherche sollte das „Bunkers“ sein. Ich renne auf die Dünen, um einen ersten Blick auf die Wellen zu erhaschen. Meine innere Spannung steigt. Hat sich die lange Anreise gelohnt?
Enttäuschung! Ich treffe viel Wind und kniehohe, chaotische Wellen vor. Die Bedingungen und die Dünenlandschaft erinnern mich stark an die Niederlande (Zandvoort). Ich denke mir nur: “Cold Hawaii“ – von wegen! Wie kommt man denn darauf, solch einen Ort an der Nordsee mit Hawaii zu vergleichen? Vielleicht gilt das nur für Windsurfer? Zumindest macht Klitmoller gutes Standortmarketing. Das muss man ihnen lassen. Surftechnisch ist das hier jedenfalls nichts. Da könnte ich Sardinien oder Mallorca auch gleich als Hawaii des Mittelmeers anpreisen. Vermutlich sind die Wellen dort im Jahresmittel sogar tatsächlich besser als hier in Dänemark.
Die erste Enttäuschung ist schnell verflogen. Ich möchte Klitmoller eine Chance geben. Deshalb checke ich gleich die Bedingungen entlang der Küste. Zu meinem Nachteil ist gerade eine Windsurf-Weltmeiserschaft am Laufen. Die blockieren genau den Spot, an dem halbwegs beständig kniehohe Wellen in etwas geordneter Form anlaufen. Ich muss weiter suchen.
Zwei Stunden später bin ich endlich im Wasser. Ich entscheide mich für die Bucht von Klitmoller und das 10 Fuß SUP, da ich mir bei diesen Bedingungen mit der Dreimeterplanke die größte Spaßausbeute verspreche. Obwohl die Bucht relativ windgeschützt liegt, ist das Meer sehr unruhig. Das macht mein SUP-Unterfangen zu einer relativ wackeligen und anstrengenden Angelegenheit. Draußen auf dem Wasser stelle ich fest, dass der Wind stärker ist als gedacht. Allein durch meinen Körper-Luftwiderstand werde ich ohne Paddeln auf dem SUP vom Wind durch die Bucht „gefahren“. Nach einer Stunde SUP ist für mich wieder Schluss. Der ständige Gegenwind zehrt an meinen Nerven und Kräften. Zumindest ein paar Gleitgefühle bei kniehohen Wellen kann ich aber für mich verbuchen.
Für heute reicht es mir. Den Abend verbringe ich mit sehr schönem Ausblick wieder beim Spot „Bunkers“ auf einem der zahlreichen von der Natur vereinnahmten Betonbunker im Sonnenschein.
Es ist Samstag Morgen, 8:30 Uhr. Ich habe verschlafen. Jetzt aber schnell rauf auf die Dünen und Wellen checken. Auf den ersten Blick hat der Wind minimal nachgelassen. Vor Ort bei „Bunkers“ ist aber wieder keine surfbare Welle in Sicht. Kniehoch und vom Wind verblasen. Ich entscheide mich wie am Vortag für die Bucht bei Klitmoller, da sie windgeschützt ist. Heute sind zwei Surfer in der Bucht. Ich beobachte, wie sie ca. alle 10 Minuten eine hüfthohe Welle für drei bis fünf Sekunden reiten. Dann verläuft die Welle wieder von der vorgelagerten Sandbank im tieferen Wasser.
Das ist mir etwas zu wenig, um mich mit meinem Spider Bomb in die Wellen zu stürzen. Ich entscheide mich deshalb für das aufblasbare SUP, um dessen Wellentauglichkeit zu testen. Die Bedingungen sind besser als gestern. Wenig Wind bei Side- und teilweise sogar fast Offshore. Von 9:30 bis 11:30 Uhr habe ich Spaß in den hüfthohen Wellen.
Ich kann mir vorstellen, dass der Spot bzw. die Spots rund um Klitmoller bei perfekten Bedingungen Potenzial haben. Das Problem ist nur, dass diese perfekten Bedingungen vermutlich nicht häufig genug auftreten. Dies ist natürlich nur meine Einschätzung auf Grundlage einer 24 h Momentaufnahme. Vielleicht liege ich auch komplett daneben und Klitmoller ist tatsächlich das vielfach angepriesene Surf-Mekka des Nordens. Ich werde es nicht erfahren, denn um 12:15 Uhr breche ich zur Rückfahrt auf. 1.150 Kilometer liegen vor mir.